7'30, 27.12/9 Appellationsurteil des Bischofs von Konstanz über die Gültigkeit des von Hans Horber aufgerichteten Vermächtnisses gegenüber den Ansprüchen des Stifts auf Horbers Lass, 1468.03.03 (Dossier)

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Ref. code:7'30, 27.12/9
Title:Appellationsurteil des Bischofs von Konstanz über die Gültigkeit des von Hans Horber aufgerichteten Vermächtnisses gegenüber den Ansprüchen des Stifts auf Horbers Lass
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Rechtsakt-Typ:Urteilsspruch
Überlieferungsform:Original
Ausstellungsort:Konstanz
Creation date(s):3/3/1468
Ausstellungsdatum:uff Donrstat nach sandt Mathyas tag des hailligen apposteln
Aussteller:Hermann (von Breitenlandenberg), Bischof von Konstanz
Adressat:Johann Truchsess von Diessenhofen, Propst zu Bischofszell, und das Stiftskapitel; Hans Vorster vom Gottshaus
Regest:Hermann (von Breitenlandenberg), Bischof von Konstanz, urkundet: Da Johann Truchsess [Truchsäß] von Diessenhofen [Diesenhoven], Domherr des Hochstifts und Propst zu Bischofszell, und das Kapitel von Bischofszell einerseits und Hans Vorster vom Gottshaus [vom Gotzhus] andererseits infolge von Streit und Uneinigkeit von wegen des Lass [ains las wegen] den Rechtsgang vor ihren Ammann und Kellner [keller] angetreten haben und sich der Propst wegen des gesprochenen Urteils beschwert und appelliert hat, wird die Appellation zugelassen, das vom Gerichtsammann gesprochene Urteil für nichtig [untogenlich] erkannt und ein Gerichtstag in Konstanz angesetzt.
Propst und Kapitel klagen gegen Hans Vorster, dass es altes Herkommen sei, dass sie von einem Gotteshausmann, der ohne eheliche Leibeserben sterbe, den Lass beziehen könnten, und zwar die gesamte Fahrhabe. Da Hans Horber [Horwer] ein Gotteshausmann gewesen und ohne Leibeserben verstorben sei, hätten sie bei Hans Vorster den Lass eingefordert. Dieser habe sich dagegen gesperrt. Um ihr Recht zu begründen lassen sie einen Artikel aus ihrer Offnung vorlesen, der lautet: "Item ain brobst hat auch die gerechtikait, wenn ainer, der sandt Pelayen zue gehörd, on lib erben abgat und stirbt, so mag er alles sin varend gůt nemmen on intrag aller menglicher. Doch gehört der halbtail den chorheren von Bischoffzell zů." Da nun bei Hans Horber als Gotteshausmann ein Hauptfall vorliege, solle man ihnen ihren Lass ohne Widerspruch [ôn intrag] geben. Hans Vorster antwortet, es sei bekannt, dass sein Schwiegervater [sweher] ein Gotteshausmann gewesen sei und von seiner Seite [von sinen wegen] ein Hauptfall [hoptvall] gegeben worden sei. Dass er hingegen ein Leibeigener [ain lib aigen mann] gewesen sein sollte, habe er nie vernommen; er und auch seine Frau seien "recht lib gemainder" gewesen nach der Ordnung des Gottshaus. So sei er, Vorster, mit seines Schwiegervaters Tochter ehelich zusammengekommen [so wer er ouch zue des Horwers sins swehers tochter elich gestossen], und sobald sie die Ehe vollzogen hätten [als bald si ainandern beschlieffen], so seien sie beide auch "recht lib gemainder" nach Gottshaus-Ordnung geworden und hätten noch zu Lebzeiten beider Schwiegereltern Kinder gehabt. Durch den Tod seiner Schwiegermutter sei seiner Frau das mütterliche Erbe, nämlich die Hälfte der Fahrhabe, zugefallen, und sein Schwiegervater habe ein Vermächtnis [etwas gemechtz] aufgesetzt und durch den Vogt von Bischofszell besiegeln lassen. Vorster begehrt, dass diese Urkunde verlesen wird und zusätzlich noch zwei Artikel ihrer Offnung. Der erste lautet: "Item, es ist ouch von alter recht und gewonlich, das ein jeglicher sandt Polayen man und wib von rechtz wegen ainer jeglicher siner frúnd und ain frúnd den andern erben söll, biß an das núnd geslecht. Und dannenthin iemer jewenclich, als vêr das von gepurt und geschlecht ist." Der andere Artikel lautet: "Item es ist von alter gewonlich, das ain gotzhusmann ald wib ye ains dem andern das sin, es sig pfenning oder guet, ligends oder varends, geben und schaffen hinder dem herd, wenn er sovil am lib vermag, wenn er den fůs uff den wielstain bringen kan, oder hinder dem offen oder uff ainer fryen landstras." Daraus sei wohl zu ersehen, "das es dehain antragende hand gewesen ist" und die Erbschaft seiner Frau "als ain gevallen gůt" zugekommen sei. Zudem seien seine Kinder des Horbers nächste Erben. Die Kapitelherren wenden ein, das Vermächtnis sei nicht, wie verlangt, vor ihrem Gerichtsstab geschehen und zitieren einen weiteren Artikel aus ihrer Offnung: "Item es sol ouch dehainer sandt Pelayen mann und der sandt Pelayen zů gehört, es sigen frowen oder mann, das sin verschaffen oder vermachen, es sig ligends oder varends gůt, denn vor ains brobstz und chorherren stab und amman. Ain brobst sol es inen ouch nit versagen und gunst und willen darzů geben. Doch im und den chorheren on schaden an ir gerechtikaiten und herlichaiten."
Wer Fasnachtshennen, Fall [väll] und Lass gebe, sei ein Leibeigener [das sig ain urkind der aigenschafft sins libs]. Dagegen wendet Vorster ein, wer ein Gotteshausmann sei, der habe laut Inhalt ihrer Offnung Freizügigkeit [einen fryen zug], woran man merken könne, dass er nicht leibeigen [aigen] sei.
Danach erkennt das Gericht zu Recht, dass Propst und Kapitelherren die Rechtsamen, auf die sie sich stützen, und Vorster dasjenige, was er in seiner Antwort vorgetragen habe, innerhalb von 6 Wochen und 3 Tagen dem Gericht vorzulegen haben. Danach soll Recht gesprochen werden.
Dorsualvermerk:Interlocutoria lata a domino gracioso juxta litteram.
Forster sna.
Sprachen:Deutsch
Beschreibstoff:Pergament
Anzahl Blätter:1
Format B x H in cm:64.3 x 35.4 + 9.3 (Plica)
Siegel und andere Beglaubigungsmittel:Wachssiegel (35 mm) in runder Wachspfanne (55 mm) an Pergamentstreifen eingehängt. Siegler: Der Aussteller mit seinem eigenen Siegel
Kommentar des Staatsarchivs:Die zitierten Abschnitte aus der Offnung von Gottshaus stammen aus einer älteren Offnung als jener vom 07.09.1472 (vgl. StATG 24.SP/2a), in der das Erbrecht nicht behandelt wird. Die beiden von Hans Vorster zitierten Artikel finden sich in ähnlicher Form in der von Pupikofer abgedruckten Offnung für die Sankt-Polayen-Gottshausleute in Sulgen, Rüthi und Mülibach vom 09.11.1472, TB 1/1861, S. 36, § 56 und § 58.

Zu den mittelhochdeutschen Rechtsbegriffen im Text.
Zu "untogenlich" im Sinn von kraftlos bzw. nichtig bei Schriftstücken vgl. Idiotikon, Bd. 12, Sp. 1103.
"recht lib gemainder" bezieht sich möglicherweise auf den Zivilstand Hans Vorsters. "gemeiner", "gemeinder" bedeutet zunächst soviel wie 'Genosse, Partner, Teilhaber'. Da aus dem Zusammenhang hervorgeht, dass Vorster und Horbers Tochter "recht lib gemainder" geworden sind, sobald sie die Ehe vollzogen haben, ist anzunehmen, dass damit soviel wie 'im leiblichen Sinne Vereinte' gemeint sein könnte, und zwar 'gesetzlich oder sittlich recht, rechtmässig, rechtsgültig', wie das im Idiotikon unter 'rëcht 3' (Bd 6, Sp. 205 f.) erklärt wird (freundliche Mitteilung von Martin H. Graf vom Schweizerischen Idiotikon).
Zum Ausdruck "zu jd. elich stossen" für 'eine eheliche Verbindung eingehen' vgl. Idiotikon, Bd 11, Sp. 1614 (mit Thurgauer Belegen aus dem 15. und 16. Jh.).
Ein "wielstein" ist ein Herd, bestehend aus einer radförmigen, auf dem Boden gelagerten Herdplatte. Vgl. dazu Idiotikon Bd. 11, Sp. 908 (mit einem unserer Stelle verwandten Zitat aus der oben erwähnten Offnung vom 09.11.1472). Die Stelle ist so zu verstehen, dass der zu einem schriftlichen Vermächtnis berechtigt ist, der körperlich noch in der Lage ist, seinen Fuss auf den Rand der Herdplatte zu stellen.
Die "antragende hand" wird im Idiotikon unter "eintragende Hand" (Bd II 1388 f., die Hand im Rechtsleben, bes. Sp. 1389), behandelt, wo der Rechtsbegriff mit "alleinstehender Lehenspflichtiger, ohne Ehegatten und Kinder oder Gemeinschaft mit Geschwistern oder Andern" erklärt wird (freundliche Mitteilung von Martin H. Graf vom Schweizerischen Idiotikon). Vorster will damit nochmals seine Erbberechtigung als angeheirateter Verwandter und Begünstigter eines ordnungsgemäss aufgesetzten Testaments bezeugen.

Auf der Fleisch- und Schriftseite des Pergaments sind drei rote Flecken zu erkennen, die nach Meinung der Restauratorin am ehesten Blutflecken sein könnten.
Alte Signaturen:Signaturen vor 1770/71: E; <38>
Pupikofersche Signatur (1848): XII
Chronologisches Urkundenverzeichnis (1888/96): 250
Zettelrepertorium (1937): 7'30'28
Level:Dossier
Ausprägung bei Ablieferung ans Staatsarchiv:analog
Konservierung/Restaurierung:Siegel gereinigt; trockengereinigt (2022).
 

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Number:1
 

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End of term of protection:3/3/1488
Permission required:Keine
Physical Usability:uneingeschränkt
Accessibility:Oeffentlich
 

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