0'7, 0/76 Erlass von Bestimmungen einer Landesordnung sowie Bestätigung der gerichtsherrlichen Freiheiten betr. Abzug, Ordnung des Landgerichts, Gemeindeausschüsse, 1626.07.10 (Dossier)

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Ref. code:0'7, 0/76
Title:Erlass von Bestimmungen einer Landesordnung sowie Bestätigung der gerichtsherrlichen Freiheiten betr. Abzug, Ordnung des Landgerichts, Gemeindeausschüsse
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Rechtsakt-Typ:Eidg. Abschied
Überlieferungsform:Original
Ausstellungsort:Baden
Creation date(s):7/10/1626
Ausstellungsdatum:Uff Freytag, den zehenden Monats Tag July, alls man zalt nach der gnadenreichen Gepurt Jesu Christi, im sechszehenhundert sechs und zwenzigsten Jahr
Aussteller:Gesandte der den Thurgau regierenden Orte (Hans Heinrich Holzhalb, Bürgermeister, und Salomon Hirzel, Statthalter und Ratsmitglied, für Zürich; Oberst Walter Amrein, Ritter, Schultheiss und Stadtfähnrich, und Jakob Bircher, Ratsmitglied, für Luzern; Oberst Hans Konrad von Beroldingen, Ritter und Landammann, und Hans Rämi, Ratsmitglied, für Uri; Sebastian Ab Yberg, Landammann, und Johann Rigert, Ratsmitglied, für Schwyz; Anton von Zuben, Alt-Landammann, und Marquart Imfeld, Statthalter und Ratsmitglied, für Unterwalden ob dem Wald; Johann Lussi, Ritter, Landammann und Bannerherr, für Unterwalden "nit dem Kernwaldt"; Hans Staub und Hans Andermatt, beide Säckelmeister und Ratsmitglieder, für Zug; Heinrich Pfändler und Heinrich Heissi, Neu- und Altlandammann, für Glarus)
Regest:Die Gesandten der den Thurgau regierenden Orte, die in Baden versammelt sind, machen bekannt, dass ihre Herren und Oberen im vergangenen Jahr aufgrund zahlreicher Klagen wegen Missbräuchen und "Bedrängnissen" der Thurgauer Untertanen, eine "ansehnliche Legation" in den Thurgau geschickt hätten. Die Gesandtschaft habe die geistlichen und weltlichen Gerichtsherren, die "gemeine Landschaft" und Ausschüsse angehört und den Bericht des Landvogts und der Amtleute vernommen. Daraufhin hätten sie, auf Gutheissen der Herren und Oberen, die nachfolgenden Artikel als künftige Landesordnung beschlossen:
1. Fluchen, Schwören und Gotteslästerung sollen bei Strafe gemäss früherer Abschiede und Mandate, die hiermit bestätigt werden, verboten werden. Zuwiderhandlung wird gemäss der ergangenen Abschiede und Mandate "ohne Nachlass" bestraft.
2. Im Land sollen "hin und wider " Schulen eingerichtet werden, in denen dem unziemlichen, frechen Verhalten der Jugend gegengesteuert werden soll.
3. Feiertage sollen, gemäss den obrigkeitlichen Mandaten und Satzungen und wie dies andernorts, wo beide Religionen ausgeübt werden, üblich ist, eingehalten werden. Für die Evangelischen sind diese Festtage der "Heilige Christtag" und der Folgetag, Oster- und Pfingstmontag, Auffahrt und Neujahr.
4. Gütliche Einigungen, die vor den Niedergerichten oder "anderen ehrlichen Leüth(en)" geschlossen und von den Parteien angenommen worden sind, sollen von den Landvögten nicht wieder aufgehoben werden, wodurch aber die Amtsgewalt der Landvögte nicht eingeschränkt werden soll.
5. Niedergerichtliche Strafen, die zwischen der Obrigkeit und den Gerichtsherren aufgeteilt werden, sollen wie bisher eingezogen und "durch specificierte Rödel den Landtvögten und Ambtleüth(en) ingerechent" werden. "Hohe" Bussen sollen von den Boten der Obrigkeit eingezogen werden; die Verhängung von Haftstrafen steht nur dem Landvogt zu, falls dieses Recht nicht vertragsmässig den Gerichtsherren eingeräumt ist.
6. "Heiden" und "Zigeuner" sollen im Land nicht geduldet werden.
7. Ein landvögtliches Urteil soll nicht durch einen anderen Landvogt aufgehoben werden, ausser, es liegt eine Rechtsänderung vor.
8. Landvögten und Amtsleuten ist es zwar erlaubt, geheime Berichte einzuholen, die "geschworene Kundschaften" aber müssen öffentlich vor dem Landgericht oder sonst an gebührendem Ort eingeholt werden.
9. Das Erbe von zum Tod verurteilten Personen soll zunächst zur Tilgung allfälliger Schulden verwendet werden; der Rest fällt der Obrigkeit zu. Wenn zum Tod verurteilte Personen andernorts hingerichtet werden, so soll ihnen von den Landvögten nichts dafür gezahlt werden.
10. Betreffend "Zerredungen" (Verleumdungen?), die im Trunk oder Zorn gemacht worden sind, und für die Tagsatzungsgeld, Rednerlohn oder Zehrungen eingenommen worden sind, soll es bei dem Vertrag von 1609 bleiben.
11. Bei Appellationen soll künftig keine der Parteien nach Baden oder an die Orte gelangen, die nicht urkundlich belegt, dass die Gegenpartei vierzehn Tage zuvor von Appellation in Kenntnis gesetzt worden ist.
12. Damit nicht fremde Leute, die andernorts vertrieben worden sind, in Orte kommen, die nur den Hohen Gerichten unterstehen, wird bestimmt, dass niemand in einen Gerichtsbezirk ziehen darf, der nicht Haus, Hof und soviele Güter, wie er für den Unterhalt seiner Familie benötigt, kauft und dies urkundlich belegen kann. Auch muss ein Zuzüger belegen, dass weder er noch seine Frau und Kinder Leibeigene sind, oder sich aus der Leibeigenschaft freikaufen und das Einzugsgeld bezahlen.
13. Der fünfte Artikel der Landesordnung betreffend die Umwandlung von Geldbussen in Haftstrafen bei Zahlungsunfähigkeit des Gebüssten soll in Kraft bleiben.
14. Den Landvögten und anderen Amtsträgern wird untersagt, bei der Einziehung von Strafen "Verehrungen" (Bestechungen) entgegenzunehmen. Wenn durch Zeugenaussagen oder anderes Kosten entstehen, sollen diese von den Schuldigen eingezogen werden. Die Urteilssprecher des Landgerichts sollen sich unparteiisch verhalten und in den Ausstand treten, wenn es sich um Personen handelt, mit denen sie befreundet sind. Die Landgerichtsknechte werden eidlich dazu verpflichtet, alle Bussen, Fall und Abzüge, die in ihren Quartieren fällig werden, in der Kanzlei und im Schloss dem Landvogt zur Verzeichung "mit allen Umbstenden unnd Beweistumben" anzugeben. Es sollen zwei Bussenrödel, einer im Schloss und einer in der Kanzlei, geführt werden. Die Landvögte sollen die nachgeordneten Amtsleute dazu verpflichten, bestimmte "Buossen Täg" anzusetzen, an denen diejenigen erscheinen sollen, die Bussen, Fall oder Abzug zahlen müssen. Die Zahlungen sollen vom Landschreiber in das Kanzleibuch und in den Rodel des Landvogts eingetragen werden. Für jeden Bussentag werden dem Landvogt eine Krone, den Amtleuten je eine halbe Krone gezahlt. Der Landvogt erhält ausserdem für seine Mühe und Arbeit von allen Bussen 20%. Damit er die Bussen aber nicht zu hoch ansetzt, sollen sie im Beisein der Amtleute festgelegt werden. Wenn Landvogt und Amtleute sich nicht einigen können oder der Landvogt jemandem die Strafe erlassen möchte, den die Amtleute für strafwürdig halten, so soll die Sache vor ein unparteiisches Landgericht gebracht werden. Das Urteil des Landgerichts soll Geltung haben, vorbehaltlich der Appellation an die regierenden Orte.
15. Der Landvogt soll seine Amtsrechnung im Beisein aller nachgeordneten Amtsleute "und bey guetter Zeith" stellen, damit sie dann in Baden Bericht erstatten und "die Rechnung bey iren Eyden erhalten" können. Die Amtleute sollen zusammen mit den Landvögten alle zwei Jahre die Huldigung ablegen.
16. Wenn jemand im Land "durch Jahr" beschwert wird oder Mangel leidet, so soll er es seinem Gerichtsherrn oder Gemeindeaussschuss anzeigen. Diese sollen den Fall dem Landvogt und den Amtleuten schriftlich vortragen. Wenn dadurch keine Abhilfe geschaffen werden kann, soll der Fall nach Baden gebracht werden. Zur Beförderung von Recht und Gerechtigkeit und zur Vermeidung unnötiger Kosten wird ausserdem bestimmt, dass der Landvogt nicht nur an gewissen Tagen, sondern "dan zuemahl morgens" vorsprechen soll (?).
17. Landrichter, Redner und Landgerichtsknechte sollen von den Landvögten nicht mehr gegen Zahlungen ins Amt gelassen werden, sondern es sollen "ehrliche redliche, unparteyische Leüth" mit den Ämtern betraut werden. Insbesondere der, der öffentlich Unzucht ("Hurerei") und Ehebruch begeht, soll nicht zum Landgericht zugelassen werden. Der Landvogt soll keinen Landgerichtsknecht entlassen dürfen, der sich "ehrlich und wohl" verhält. Ausserdem sollen nicht mehr Landgerichtsknechte als bisher üblich berufen und überzählige Landsgerichtsknechte entlassen werden. Der bisherige Amtsmissbrauch durch Landgerichtsknechte wird untersagt.
18. Da bisher durch Ausrichtung einer Mahlzeit für alle Teilnehmer am Malefizgericht und die Teilnahme vieler Personen am Malefiz hohe Kosten entstanden sind, wird der Personenkreis auf 25 (im einzelnen genannte) Personen beschränkt. Jedem Teilnehmer soll ein halber Gulden bezahlt werden. Auch die Kosten für die "Malificanten" sollen begrenzt werden, wobei die 1609 gemachte Ordnung zugrunde gelegt wird.
19. Die Abzugsfreiheit der thurgauischen Gerichtsherren, die diese seit altersher besitzen, die ihnen aber zeitweise aufgrund der Ortsstimmen vorenthalten und dann wieder eingeräumt wurde, wird gegenüber denjenigen Herrschaften, die das Gegenrecht auf Abzug haben, bestätigt.
20. In der Landgrafschaft Thurgau werden Zusammenkünfte der "gemeinen Landschaft" zur Anhörung von Beschwerden und Gravamina zugelassen. Diese Zusammenkünfte sollen mit Bewilligung des Landvogts einmal oder, wenn nötig, mehrmals pro Jahr stattfinden. Die Ausschüsse sollen paritätisch aus Angehörigen beider Konfessionen zusammengesetzt werden, ausserdem soll ein Schreiber der geistlichen und weltlichen Gerichtsherren anwesend sein. Diese Konzession soll die Rechte der regierenden Orte nicht beschränken und wird nur auf Probe erlassen.
21. Betreffend das Landgericht wird bestimmt:
- Es sollen jährlich zwölf Landgerichtssitzungen abgehalten werden, zwei davon im Juni, weil im Juli keine Sitzungen gehalten werden.
- Die Termine der zwölf Sitzungen sollen Anfang Jahr von den Amtleuten und Urteilssprechern bekannt gemacht und in einem Verzeichnis zusammengestellt werden.
- Im Sommer soll das Landgericht um sieben, im Winter um 8 Uhr beginnen. Eine halbe Stunde zuvor soll geläutet werden.
- Landrichter, die zu spät zum Landgericht erscheinen, müssen 1/2 fl. Strafe zahlen; solche, die ganz fernbleiben, zahlen eine Krone, ausser, sie können sich entschuldigen.
- Auch die Parteien müssen pünktlich erscheinen; der Kläger muss innerhalb der ersten halben Stunde vorsprechen, ansonsten wird er nicht mehr angehört.
- Wer vor das Landgericht zitiert wird, ohne beklagt zu sein, soll für die Kosten nach Landesbrauch entschädigt werden.
- In Zins- und Appellationssachen erfolgt die Zitation durch den Landweibel, in den übrigen Fällen durch die Landgerichtsknechte, die die Zitationen aber dem Landweibel anzeigen sollen. Tun sie dies nicht, sollen sie für jede Zitation fünf Batzen bezahlen.
- Wenn jemand in die Acht getan und ein Achtbrief ausgestellt wird, so soll dies nicht gleich in das Achtbuch, sondern zunächst in einen Rodel verzeichnet werden. Wenn der Betroffene der Acht verfallen und der Achtbrief ausgestellt ist, sollen die Landgerichtsdiener die Acht ihrem Eid gemäss umsetzen. Ächtungen sollen im Landgericht bekannt gemacht werden, damit der Landvogt "der Straffen halb sich desto besser zu verhalten wüsse".
- Die vier "Landgerichtsmüller" (?) sollen abgeschafft werden und ihre Besoldung auf die Landgerichte verteilt werden. Es entfallen 10 fl. auf jedes Landgericht, wovon die Urteilssprecher 2 fl. erhalten sollen. Die übrigen 8 fl. werden unter Urteilssprecher (12 Teile), Amtleute (3 Teile) und Substitute (1 Teil) verteilt. Zu gleichen Teilen sollen auch Strafen und Fertigungsgelder unter ihnen aufgeteilt werden.
- Wenn ein aufgebotener Fürsprecher nicht erscheint, soll einer Partei nur einmal Aufschub gewährt werden (?); "gefohrlich Uffzüg" sollen niemandem gestattet sein.
- Wenn jemand Zeugen vorbringen will, so soll er dies innert drei Landgerichtssitzungen tun. Die Zeugen dürfen bis zum dritten Grad nicht mit dem, der sie aufbietet, verwandt sein, und sollen der Gegenpartei wohlgesinnt sein.
- Die Landes- und Landsgerichtsordnung soll wenigstens einmal jährlich vor dem Landgericht verlesen werden. Die Landes- und Landesgerichtsordnung wird von den Gesandten im Namen ihrer Herren und Oberen bestätigt.
22. Abschliessen werden den Gerichtsherren ihre alten Freiheiten und Gerechtsame, die thurgauische Landesordnung und Erbrechte bestätigt. Die Landvögte und Amtsleute werden angehalten, die Gerichtsherren in ihren Rechten zu schützen und zu schirmen.
Diese Bestimmungen werden nach Prüfung bestätigt. Landvögte und Amtleute werden angewiesen, diese Bestimmungen einzuhalten und über deren Einhaltung zu wachen. Die Urkunde wird besiegelt mit dem Siegel des Landvogts der Grafschaft Baden im Aargau, Philipp Barmettler, des Rats zu Unterwalden.
Dorsualvermerk:Abscheydt von der syben Ortten Ehren Raths Gesandten uff Johany Paptiste a(nn)o 1626 zuo Baden in Ergow außgangen. Ist ein Bestättigung der Gerichtsherischen Freyhewitten, insonderheit die Abzug, Ordnung deß Landtgerichts, der Gemeinden Usschüß und andere Sachen betreffende. N(umer)o 76.
Sprachen:Deutsch
Beschreibstoff:Papier
Anzahl Blätter:12
Format B x H in cm:21.0 x 33.2
Siegel und andere Beglaubigungsmittel:Auf Heftfaden aufgedrücktes Wachssiegel (ab).
Kommentar des Staatsarchivs:Das dem Staatsarchiv zwischen 1999 und 2018 fehlende Dokument wurde ihm von Bruno Giger, Wängi, am 15. Februar 2018 per Einschreiben zugestellt. Er hatte in den 1980er- und 1990er-Jahren eine Dissertation über den Gerichtsherrenstand verfasst und durfte damals das Archiv bei sich zu Hause ordnen und konsultieren. Das Dokument blieb bei der seinerzeitigen Rückgabe des Archivs an die Familie von Streng bei ihm irrtümlicherweise liegen.
Alte Signaturen:No 76
Level:Dossier
Ausprägung bei Ablieferung ans Staatsarchiv:analog
Konservierung/Restaurierung:Nachgeleimt; neu geheftet; Risse/Fehlstellen geschlossen; trockengereinigt; wässrig entsäuert (2018).
Digitalisat:2018
Reproduktionsbestimmungen, Copyright:Die Urheberrechte und Reproduktionsrechte liegen beim Staatsarchiv Thurgau.
 

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