7'30, 26.St/15a Gerichtsordnung der Stadt Bischofszell von 1583, 1583 (Dossier)

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Ref. code:7'30, 26.St/15a
Title:Gerichtsordnung der Stadt Bischofszell von 1583
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Rechtsakt-Typ:Gesetzgebung
Überlieferungsform:Einzelabschrift
Ausstellungsort:(Bischofszell)
Creation date(s):1583
Aussteller:Vogt, Klein- und Grossräte von Bischofszell
Adressat:(Gerichtsbehörden und Bürgerschaft von Bischofszell)
Regest:Vogt, Klein- und Grossräte von Bischofszell setzen anno 1583 die folgende Gerichtsordnung auf:
- Alle Montage, die nicht auf einen Feiertag fallen, soll das gewöhnliche Wochengericht gehalten werden. Dazu soll durch den Stadtknecht am Abend zuvor dem Stabhalter, allen Richtern und dem Stadtschreiber geboten werden.
(Vom zu Gericht läuten)
- Durch den Stadtknecht soll in Sommerszeiten um 6 Uhr und in Winterszeiten um 7 Uhr zum Gericht geläutet werden. Darauf stellt der Stadtschreiber eine Sanduhr von einer halben Stunde [ein halbe risende stund] auf, und wenn diese abgelaufen [ußgeloffen] ist, haben der Stabhalter und die Richter in der gewöhnlichen Gerichtsstube zu erscheinen. Das Gericht ist vom Bischof als Stadtherr an drei Schilling Pfennig "verpannt" worden. Wer nach Ablauf der halben Stunde noch nicht da ist, wird mit einem Batzen gebüsst.
- Wer ohne Erlaubnis des Vogts oder Stabhalters den Gerichtstag ganz versäumt, verfällt einer Busse von drei Batzen. Der Stadtknecht ist nicht befugt, dem einen oder anderen Dispens [ein erloutptnus unnd urloub] zu erteilen.
- Nachdem das Gericht, wie oben gesagt, "verbanndt" worden ist, soll jedermann anderthalb Stunden lang zu klagen und Urteil zu verlangen erlaubt sein. Nach Ablauf der 1 1/2 Stunden soll durch den Stabhalter der dritte Ruf [das drit gerüefft] ertönen und dem, der dann noch klagen will oder Urteile begehrt, dies erlaubt werden.
(Vom Überschreien der Parteivertreter)
- Dem Missbrauch der Parteien, sich gegenseitig niederzuschreien, soll dadurch vorgebeugt werden, dass jeder seine Sache durch einen Fürsprecher [fürsprächen] darlegen soll, ausser es werde ihm erlaubt, seine Sache selbst vorzutragen. Wer die Fürsprecher überschreit, verfällt zu 3 Batzen Busse. Verlangt eine Partei das Verhören von Kundschaften, soll jede Partei solche Zeugen [zügen] selbst nennen [offnen].
(Wie Käufe gefertigt werden sollen)
- Alle Käufe und Kontrakte unter der Obrigkeit der Stadt sollen innerhalb Monatsfrist (bei einer Busse von 1 Pfund Pfennig) gefertigt werden.
- Alle Fertigungen und Vertragsaufsetzungen [uffrichtigungen] um Käufe und Zinsverschreibungen sollen innerhalb anderthalb Stunden geschehen und nach dem dritten Ruf nicht mehr angenommen werden.
- Wenn über eine Fertigung Urkunde und Siegel verlangt wird, soll diese vorgelesen [abgläsen] und - falls sie mit der Fertigung gleichlautend befunden worden ist - durch den Stabhalter mit eigener Hand unterschrieben und dann durch den Vogt besiegelt werden.
- Wenn eine Fertigung vor Gericht geschieht und der Verkäufer oder Aufnehmer eines Hauptgutes um Zins einem oder mehreren Bürgern Schuldner [zu thun schuldig] ist, haben diese Gläubiger die Gewalt, die Fertigung vor Gericht zu verhindern, bis ihnen eine zufriedenstellende Frist [ein vernüegender wyl] eingeräumt wird.
(Vom Einzug der Schulden und der gerichtlichen Behandlung von Pfanden)
- Eine Schuld hat der Schuldner im ersten, zweiten und dritten Gerichtstermin zu verkünden. Am dritten Termin soll er "bi dem hus pfanndt ze hollen" gewiesen werden.
- Um verschriebene Boden- oder Hauszinse, aber auch um Arbeitslohn [lidlon], es sei Speise oder Brot "ab dem laden", Wein "bi der maß", Salz, Schmalz, Käse, Zehrung usw., muss einer seinem Schuldner nur beim ersten Gerichtstermin "verkünden", und da soll er "bi dem hus pfandt zu holen" erkannt werden.
- Von einem Wirt soll seine Klage um Zehrung nicht höher als um 15 Schilling Pfennig - laut Mandat - zugelassen werden.
- Wenn dann ein Schuldpfand geholt und dazu verkündet wird, solle ohne jedes Verweigern und Verzögern des Schuldners die Klage zum vierten Mal vor Gericht gewiesen und das Pfand gerichtlich behandelt [verrechtet] werden. Das Pfand soll dann sieben Nächte lang liegen bleiben und danach mag zur Gant gerufen werden. Wenn es der Kläger jedoch länger liegen lässt, soll dies ohne Nachteil für seine Rechtsansprüche sein.
- Wenn nach dem Einholen des Pfandes vom Schuldner Einsprache gemacht und Gegenbeweise vorgebracht werden, soll die Verrechtung des Pfandes nicht länger als bis zum nächsten Gerichtstermin aufgeschoben werden können.
- Wird ein Pfand gerichtlich behandelt [verrechtet], soll der Stadtschreiber die Forderung [ansprach] aufschreiben, wie es von Alters her Brauch gewesen ist.
(Vom Ganten und Inventarisieren)
- Nachdem ein Pfand 7 Nächte vor Gericht gelegen und dann am folgenden Abend die Gant verkündet worden ist, soll sie (falls sie von dem Schuldner im Sommer bis um 8 Uhr und im Winter um 9 Uhr nicht abgestellt worden ist) ordentlich wie vor alten Zeiten ausgerufen werden.
- Wenn am selben Abend zum dritten Mal gerufen worden ist und der Kläger dem Schuldner keinen Aufschub geben will, kann er den Schuldner am andern Morgen durch den Stadtknecht anweisen lassen, all sein liegendes und fahrendes Hab und Gut zu inventieren und anzuschreiben.
- Nach der Inventarisation kann der Fordernde, wann er will, alles Hab und Gut auf den öffentlichen freien Markt legen und durch die verordneten Gantmeister ausrufen und verganten lassen.
- Wenn ein Bürger der Stadt Bischofszell sich nach Recht von einem seiner Gläubiger dazu treiben lässt, dass ihm alles Hab und Gut angeschrieben wird, so haben alle Bürger wegen ihren Forderungen an den Schuldner ein Gantrecht.
(Von Bodenzinsen und versetzten Zinsen)
- Wenn einer wegen Bodenzinsen oder versetzten Zinsen vor Gericht gezogen und dann auf die Gant gewiesen worden ist, soll das Pfand und die darauf geschlagene Summe ausgerufen werden. Wenn es niemand innerhalb von sechs Wochen und drei Tagen zu dieser Summe einlöst, soll es dem Gläubiger durch den Gantmeister vor Gericht gefertigt werden.
- Verschriebene Pfande sollen "nit zu dem anschryben gewysen", sondern auf die Gant geschlagen werden.
(Wenn einer über erlangtes Recht hinaus wiederum Rechtsansprüche stellt)
- Wenn ein Pfand ordentlich vor offenem Gericht behandelt worden ist und dann einer seinem Schuld- oder Zinsforderer wiederum "recht fürschlagen" würde, so soll dieser mit 3 Pfund Pfennig gebüsst werden.
(Über die Appellation)
- Wer wegen einer Zins- oder Schuldforderung gegen den andern die Appellation begehrt, soll am Gerichtsstab mit seinem Eid versichern, dass er dies nicht wegen der Verzögerung [umb verzugs wegen] tue, sondern verhoffe, besseres Recht zu erlangen. Erst dann soll ihm die Appellation zugelassen werden.
- Wer mit Bewilligung von Gericht und Rat an das Hofgericht des Fürstbischofs appelliert und seine Appellation innerhalb von 10 Tagen nicht einbringt, soll mit 10 Batzen gebüsst werden.
(Vom Stellen und Verhören von Kundschaften)
- Wem zugestanden wird, vor dem Rat oder vor offenem gebanntem Gericht Kundschaften zu verhören, und er stellt diese nicht innerhalb von 6 Wochen und 3 Tagen, so sollen ihm diese Kundschaften fortan nicht mehr zugelassen werden.
(Wegen den ausserordentlichen Gerichten [gastgerichten])
- Wenn man einem Fremden gegen einen Bürger oder Insässen ein Gastgericht gewährt [vergunndt oder erloupt], soll das Gastgericht nur so weit geführt werden, bis das Pfand gerichtlich behandelt wird, und dies soll nur vor dem Wochengericht geschehen,
(Arbeitslohn und Arbeitsdienste)
- Wer wegen (vorenthaltenem) Arbeitslohn [lydlon] beklagt wird und die Anklage sich als wahr herausstellt [unnd sich das waarlich befinndt], soll ohne alle Gnade ein Pfund Pfennig Busse bezahlen.
- Wenn aber ein Dienstknecht oder eine Magd ohne hinreichende [erhebliche] Ursache sich vorzeitig aus der vereinbarten Verpflichtung lösen sollte [uß dem gedingten zyl louffen wurde], dann soll nicht auf die Bezahlung eines Lohnes erkannt werden.
(Vom Botenlohn)
- Wenn einer wegen Zins-, Arbeitslohn-, Nahrungs- [essige spis] und Schuldforderungen gemäss dem Gerichtsbrauch Geld ausgeben muss, wird ihm dies vergütet, und wenn er dafür eine Stunde Weg von der Stadt Bischofszell weg gehen muss, wird ihm für jeden Gang 6 Kreuzer gegeben.
- Und wenn er eine grosse Wegstrecke zurücklegen muss, wird ihm für jede Meile [von jeder milen] zwei Batzen und das dabei ausgegebene Geld vergütet.
(Vom Zeugenlohn)
- Wenn einer Zeugen verhören will, die mehr als eine Wegstunde ausserhalb der Stadt Bischofszell wohnen, so wird für jede Wegstunde zwei Batzen Lohn gegeben.
(Von Lohn und Kosten der Bürger und Insässen)
- Bürger und Insässen sollen sich nach Gerichtsbrauch gegenseitig ausser dem aufgewendeten Geld nichts abfordern, es sei denn im Falle von Appellationen.
- Bürger und Insässen sollen sich gegenseitig auch keinen Zeugenlohn [kunndtschfft lon] zu geben schuldig sein.
(Von der Haft)
- Dieweil auch die Bürger und Insässen zu Bischofszell alle Aussässen, die nicht Untertanen des bischöflichen Stadtherrn noch Eigenleute des Stifts sind, wegen ihren Forderungen [umb ire ansprachen] mit Beschlag belegen [hefften] mögen, so solle derjenige, der jemanden behaftet [hefft], am nächsten Gerichtstermin "zu dem hafft verkünnden" und darauf klagen. Wer das nicht tut und den Termin verstreichen [verschinen] lässt, soll die Behaftung nicht durchführen können [der hafft crafftloß und nichtig erkent werden].
(Von aufgeschobenen Urteilen)
- Alle mit Bedenkzeit aufgeschobene Urteile [verdenck-urtellen], die nicht an den Schranken [schranckhen] gegeben werden, sollen zur Verhütung von Streit und Missverständnis durch den Stadtschreiber aufgeschrieben und dann ordentlich verlesen werden.
(Vom In-den-Ausstand-Treten der Richter)
- Keiner des Gerichts, der nicht mit einer Partei im dritten Grad [zu den dritten kinder] oder noch näher verwandt ist, soll Bedenkzeit halber in den Ausstand treten [im verdencken abston].
- Der Stabhalter, Räte, Richter und auch der Stadtschreiber sollen darauf achten, dass diese Ordnung eingehalten wird. Wer darin straffällig werden sollte, muss sich vor dem Vogt und den Räten verantworten.
Sprachen:Deutsch
Beschreibstoff:Papier
Anzahl Blätter:8
Format B x H in cm:20.7 x 31.0
Siegel und andere Beglaubigungsmittel:Unbeglaubigt
Kommentar des Staatsarchivs:Das Gericht ist vom Stadtherrn "verpannt" worden = Die Teilnahme am Gericht ist für die dazu Aufgebotenen unter Strafandrohung zur Pflicht gemacht worden. Zugleich ist die Banngewalt des Stadtherrn auf die Organe des Gerichts übertragen worden. Dieses "verpannen" oder "pannen" des Gerichts wird zu Beginn jeder Gerichtssitzung durch eine zeremonielle Formel bekräftigt. Vgl. Idiotikon Bd. 4, S. 1277 f. und S. 1280 unter 1 e).
"risende stund" = Sanduhr: vgl. Idiotikon Bd. 11, Sp. 1068.
das gerüeft = Lärm, Rufen, vgl. Idiotikon Bd. 6, Sp. 715.
"ufrichtung" = Aufsetzen und Besiegeln der Urkunde, vgl. Idiotikon Bd. 6, Sp. 407.
"vernüegen" = zufriedenstellen, vgl. Idiotikon Bd. 4, Sp. 701.
"verrechten" = etw., jmd. vor Gericht ziehen; (Pfand) gerichtlich behandeln, vgl. Idiotikon Bd. 6, Sp. 310.
"lidlôn" = Arbeitslohn der Dienstleute und Taglöhner, vgl. Idiotikon Bd. 3, Sp. 1288.
"ansprâch" = Forderung; Forderungsklage, vgl. Idiotikon Bd. 10, Sp. 722.
"recht fürschlagen" = vor Gericht ziehen, verklagen, vgl. Idiotikon Bd. 9, Sp. 454 f.
"gastgericht" = ausserordentliches Gericht für Fremde, die Einheimische vor Gericht ziehen, vgl. Idiotikon Bd. 6, Sp. 352.
"essige spis" = essbare Speise, Nahrung, vgl. Idiotikon Bd. 1, Sp. 529.
"haft" = das zur Sicherheit gegebene Pfand, vgl. Idiotikon Bd. 2, Sp. 1055 (4).
"hefften" = heften: Güter Schulden halber mit Beschlag belegen; arrestieren, vgl. Idiotikon Bd. 2, Sp. 1060 (2); hier offensichtlich auch: einen Schuldner mit "haft" belegen.

Im Staatsarchiv liegt ein altes Archivregister aus dem zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts (StATG 7'30 0/0), das nicht mit dem Stiftsarchiv 1848 an den Staat gelangte, sondern erst im November 1977 von Dr. Bruno Schneider aus Kreuzlingen (ursprünglich von Dr. Viktor von Hettlingen, kath. Priester in Schwyz, erworben) dem Staatsarchiv abgegeben wurde. Das Titelblatt dieses Buches zeigt in roter und schwarzer Tinte die Überschrift:
(Andreaskreuz)
Grichts ordnung
der statt Bischoffzell
anno se(r)vatoris nostri
MDLXXXXIIII
Die einer Kanzlei-Druckschrift nachempfundenen Buchstaben erinnern stark an den Titel dieser Gerichtsordnung von 1583. Eine Fassung der Gerichtsordnung von 1594 ist jedoch nicht erhalten.
Alte Signaturen:Signaturen vor 1770/71: No. 22 (gestrichen); No. 15, ST.
Pupikofersche Signatur (1848): St 15a
Chronologisches Urkundenverzeichnis (1888/96): -
Zettelrepertorium (1937): 7'30'26
Level:Dossier
Ausprägung bei Ablieferung ans Staatsarchiv:analog
Konservierung/Restaurierung:Nachgeleimt; Risse/Fehlstellen geschlossen; trockengereinigt; wässrig entsäuert (2023).
 

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